Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und des Nationalsozialismus geriet das Kolonialdenkmal schnell in Vergessenheit. Der alliierten Anordnung, alle militaristischen und nationalsozialistischen Denkmäler zu zerstören, konnte das Kolonialdenkmal in Braunschweig noch entgehen. In den ehemaligen deutschen Ostgebieten, die nun zu Polen gehörten, sowie in der sowjetisch besetzten Zone, der späteren DDR, wurden sämtliche Kolonialdenkmäler abgetragen. In der Bundesrepublik blieben die wenigen Kolonialdenkmäler, die den Krieg überstanden hatten, weitestgehend bestehen.
Die erinnerungskulturelle Kontinuität der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus, die im weitesten Sinne noch nach der Intention der Aufsteller handelten, wurde von der jungen Bundesrepublik jedoch gebrochen. Das Kolonialdenkmal wurde lediglich zur Kranzniederlegung im Rahmen des Volkstrauertages genutzt. Damit wurde es von einem Kolonial- und Kriegerdenkmal auf die Funktion des Kriegerdenkmals, wie es unzählige weitere im Land gab, beschränkt.

Das generelle Vergessen der kolonialen Vergangenheit in den ersten Jahrzehnten nach dem Krieg in Braunschweig deckt sich mit einer Tendenz, die in der gesamten Bundesrepublik zu beobachten ist. Diese koloniale Amnesie (Jürgen Zimmerer) entstand aus einer fehlenden kritischen Aufarbeitung der deutschen Kolonialgeschichte. Wie bereits gesehen, hatte die Gesellschaft in der Weimarer Republik und im Nationalsozialismus kein Interesse an einer kritischen Auseinandersetzung. Die junge Bundesrepublik verschloss viele Jahre lang die Augen vor allem Negativen, das die Zeit vor 1945 in der deutschen Geschichte bereithielt. Die nur langsam aufkommende kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit setzte zunächst beim Nationalsozialismus an, sodass die deutsche Kolonialgeschichte noch für einige Zeit weiter vergessen blieb.

In Braunschweig ist für diesen ungewöhnlich großen Zeitraum bisher nur ein einziger Fall bekannt, der sich kritisch mit dem Kolonialdenkmal auseinandersetzte.

1962/63 Erste Debatte im Kulturausschuss

Auf Anregung des Braunschweiger Bürgers Friedhelm Hanse befasste sich zum Jahreswechsel 1962/63 der Kulturausschuss mit dem Kolonialdenkmal. In seinem Brief an den Oberstadtdirektor Weber forderte Hanse in entschiedenem Ton, das Denkmal mit Blick auf die vorgebliche Weltoffenheit der Stadt zu entfernen.

Sehr geehrter Herr Oberstadtdirektor,

Der Vorfall der »Enthauptung des Hirtenjungen« an der Sidonienbrücke veranlaßt mich, Sie auf einen Mißstand in unserer Stadt hinzuweisen, der wohl die eigentliche Ursache für viele Zwischenfälle innerhalb der vergangenen Jahre sein dürfte.

Braunschweig bemüht sich ständig, durch städtische Aufbauleistungen, durch industrielle Kontakte auch in den Entwicklungsländern und nicht zuletzt mittels der Technischen Hochschule sein Ansehen nach außen hin zu erneuern. So sehr diese Anstrengungen auch gewürdigt werden sollen, bleibt es doch nur Blendwerk, solange farbige Mitmenschen, sei es als Studenten oder Gäste, sich nach offiziellen Begrüßungen die Kehrseite der Braunschweiger Gastfreundschaft und viel gepriesenen Verbundenheit mit den bisher unterdrückten Menschen im Stadtpark ansehen können. Das Kolonialdenkmal als Symbol der Rassendiskriminierung ist sicher nicht geeignet, allen friedfertigen Beteuerungen Glauben zu schenken. Sollte hier nicht einem gefährlichen Drachen, der sehr viel Zündstoff in sich birgt, endlich der Schwanz abgeschnitten werden? Es wäre endlich einmal eine lohnende Aufgabe für ein [sic!] Bundeswehrpanzer, diesen Stein des Anstoßes zu beseitigen und den hemmenden Klotz vom Bein der Stadt zu lösen.

Ich habe es absichtlich vermieden, diesen Punkt zum Anlass einer öffentlichen Diskussion zu nehmen. Ich betrachte mein Schreiben vielmehr als Anregung und möchte Ihnen die Initiative in dieser Hinsicht zum Wohle der Stadt überlassen. Viele Braunschweiger würden Ihnen dafür dankbar sein.

Mit freundlichen Grüßen!

Friedhelm Hanse
Braunschweig
Korfesstraße 37

https://www.braunschweig.de/kultur/erinnerungskultur/kolonialdenkmal.php


Die Anregung Hanses wurde anschließend im Kulturausschuss diskutiert:

Die Mitglieder des Ausschusses setzen sich für die Erhaltung dieses Denkmals ein, das als Denkmal für die im 1. Weltkrieg in den Kolonien gefallenen deutschen Soldaten und für die unter deutschen Fahnen kämpfenden Afrikaner gilt. Eine Entfernung des künstlerisch wertvollen Denkmals hat bisher weder eine politische Partei oder Organisation, noch ausländische Gäste oder Studenten gefordert. Die Einschätzung des Verwaltungsausschusses wird nicht für erforderlich gehalten.

https://www.braunschweig.de/kultur/erinnerungskultur/kolonialdenkmal.php

Daraus ergab sich folgender Beschluss:

Der Kulturauschuß lehnt einstimmig die von Herrn Hanse in einem Schreiben vom 29.11.1962 gegebene Anregung, das sogenannte »Kolonialdenkmal« als »Symbol der Rassendiskriminierung« zu entfernen, als grundlos ab, da dieses Mal den im 1. Weltkrieg in den Kolonien gefallenen Soldaten geweiht ist und niemanden diskriminiert.

https://www.braunschweig.de/kultur/erinnerungskultur/kolonialdenkmal.php

Nachdem das Braunschweiger Kolonialdenkmal nach Ende des Krieges weitestgehend in Vergessenheit geriet, rückte es durch diese Aktionen eines Einzelnen für kurze Zeit in das Bewusstsein der Stadtverwaltung, ohne dass sich dort ein Problembewusstsein herausbildete. Der Verweis des Kulturausschusses auf die Abwesenheit einer gesellschaftlichen Notwendigkeit, die sich durch Einmischung politischer Parteien und Organisationen zeigen könnte, verdeutlicht die noch nicht erreichte gesellschaftliche Relevanz des Themas. Diese Ausnahme bestätigt also die Regel.

Die gesellschaftliche Relevanz und ein daraus erwachsendes Problembewusstsein kam in dieser Zeit erst ganz langsam auf und widmete sich eindeutigeren Denkmälern, wie dem Wissmann-Denkmal in Hamburg, das anders als das Braunschweiger Denkmal, einer einzelnen umstrittenen Person gewidmet war und deshalb erinnerungskulturell nicht wie ein Kriegerdenkmal behandelt wurde. Ab Juli 1961, begannen Studenten in Hamburg damit, über den Verbleib kolonialer Denkmäler auf dem Campus der Universität zu diskutieren. Diese Auseinandersetzungen zogen sich über mehrere Jahre, bis schließlich am 8. August 1967 das Hamburger Wissmann-Denkmal von der aufkommenden Studentenbewegung gestürzt wurde.

(vgl. Zeller, Joachim: Kolonialdenkmäler und Geschichtsbewußtsein. Frankfurt a.M. 2000 S. 206-215)

In Braunschweig dauerte es nun bis in die 1990er Jahre, bis sich erneut öffentliches Interesse am Kolonialdenkmal regte.

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