Die Geschichte des Kolonialdenkmals in Braunschweig beginnt im Frühjahr 1925 mit einem Spendenaufruf in der Braunschweigischen Landeszeitung. Geschaltet wurde dieser vom Verein ehemaliger Ostasiaten und Afrikaner zu Braunschweig. Dieser Verein wurde bereits 1903 gegründet und rekrutierte sich anfangs vollständig aus ehemaligen Soldaten des Ostasiatischen Expeditionskorps. Anfangs wuchs der Verein nur sehr langsam und erweiterte sich 1906 um den Zusatz: und Afrikaner, wodurch man die Mitgliederzahl von 16 auf 38 Personen vergrößern konnte. Dennoch blieb der Verein auch bis in das Jahr der Aufstellung des Denkmals mit nur 75 Mitgliedern sehr klein. Trotzdem schaffte er es mit diesem Aufruf genug Geld zu sammeln, um das durchaus teure Unterfangen umsetzen zu können.

Um den Gedanken an unsere Kolonien wachzuhalten und das Interesse dafür im deutschen Volke zu wecken, vor allem aber auch um unseren weitab von der Heimat im fernen Weltteil gefallenen Helden, die im gleichen Kampfesmut bis zum Ende für unsere heißumstrittenen Kolonien gekämpft und gelitten haben, sinnbildlich monumental Unsterblichkeit zu verleihen, wird der Verein ehem. Ostasiaten und Afrikaner, ein kleiner Verein (75 Mitglieder), von denen Angehörige in jeder Kolonie gekämpft haben, im Stadtpark zu Braunschweig ein Kolonial-Denkmal errichten, dessen Einweihung voraussichtlich im 14. Juni d. Js. erfolgen soll. […] Da es dem Verein infolge seiner geringen Mitgliederzahl schwer fällt, aus eigenen Mitteln die sehr erheblichen Kosten für die Errichtung des Denkmals aufzubringen (etwa 5000 Mark), wenden wir uns vertrauensvoll an alle Kolonialfreunde mit der Bitte um Unterstützung durch Geldspenden. Auch die kleinste Gabe wird dankend angenommen.

(o.N., o.T. in: Braunschweigische Landeszeitung, 01.04.1925)

Der Denkmalsentwurf stammte von Herman Flesche, der seit 1924 den Lehrstuhl für Baukunst an der Technischen Hochschule Braunschweig innehatte. Modelliert wurde es vom Bildhauer Jakob Hoffmann, der seit 1913 Zeichnen und Modellieren an der TH Braunschweig unterrichtete. Die Feierlichkeiten zur Fertigstellung des Denkmals wurden 1925 mit einem dreitägigen Festakt begangen. Die eigentliche Weihe des Denkmals, das am Rande des Stadtparks, als Abschluss der Kaiser-Wilhelm-Straße aufgestellt wurde, fand am 14. Juni 1925 mit einem Festgottesdienst unter Beteiligung „Seiner Hoheit des Herzogs Adolf Friedrich zu Mecklenburg, vieler Offiziere und Beamten der ehemaligen Schutzgebiete, sowie mehrere[r] Brudervereine der näheren und weiteren Umgebung und der Vaterländischen Vereine und Verbände statt.“ (Verein ehemaliger Ostasiaten und Afrikaner: Festschrift zum 25-jährigen Stiftungsfeste, S. 13) Neben dem Adel und den militärischen Vertretern fanden sich auch bürgerliche Repräsentanten und offizielle Vertreter der Stadt am Tag der Weihe am Denkmal ein.

Wie ein Sinnbild der Kämpfe der Vergangenheit und der Zukunft regierte der Sturmgott diesen Tag. Wild zerfetzt flogen die Wolken am Himmel, und durch die Straßen der Stadt und die alten Bäume des Stadtparkes fegt der Wind mit wilder, unbändiger Kraft. Auf dem weiten Franzschen Felde waren die Abordnungen des Kolonial-Kriegerbundes, der vaterländischen Verbände, des Stahlhelms, des Jungdeutschen Ordens, der Marine-Vereinigungen und der Kriegerverbände Braunschweigs neben einer Ehrenkompagnie der Reichswehr und den Ehrengästen wie den Vertretern der Stadt zu einer stolzen, stattlichen Heerschau aufmarschiert. Wohl an die fünfzig Banner und Standarten flatterten luftig im Winde und zeugten von Deutschlands großer Vergangenheit, wie dem Willen seiner Jugend, Gleiches für die Zukunft zu erringen.

(o.N.: Zur Weihe des Kolonialdenkmals in Braunschweig. In: Braunschweigische Landeszeitung, 15.06.1925.)

Dass dieser kleine Verein es schaffte, das Denkmal mit Spenden zu finanzieren und bei der Einweihung eine derart große Öffentlichkeit zu erzeugen, offenbart die weit verbreitete kolonialrevisionistische Erinnerungskultur der Weimarer Republik. Eine reaktionäre Auseinandersetzung mit dem Kolonialverlust war nicht unüblich. Mit der Niederlage im Ersten Weltkrieg und dem Ende des Kaiserreichs verschwanden nicht automatisch seine ehemaligen Akteure. Der bei der Weihe anwesende Herzog Adolf Friedrich zu Mecklenburg war Gouverneur der deutschen Kolonie Togo in Westafrika und Halbbruder von Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg, der von 1907 – 1913 Regent des Herzogtums Braunschweig und Präsident der Deutschen Kolonialgesellschaft war. Diese Kräfte des alten Kaiserreichs konnten auch in der Weimarer Republik noch breite Teile der Bevölkerung im Gedenken an die gute alte Zeit und gegen den sogenannten Schandfrieden von Versailles vereinen.

Doch es gab auch Kritik an der Denkmalsaufstellung und der dabei propagierten Absicht:

Wenn das Kolonialdenkmal einfach ein Denkmal an die Kolonien wäre, so sollte es mir recht sein. Es ist aber keineswegs errichtet, um uns stets an die Kolonien und die darin Gefallenen zu erinnern (wie die Inschrift es vorgibt), sondern es ist hingesetzt, um uns stets daran zu erinnern, daß wir unsere Kolonien w i e d e r h a b e n müssen. Auch hier noch bin ich dabei und billige das Denkmal und die Idee, denn ich sehe wahrlich nicht ein, weshalb just Deutschland keine Kolonie haben sollte, so lange die Einwohner nicht Selbstverwaltung verlangen. Also auch ich, Sozialist und mithin Undeutscher, trete der Sache näher. […] Wer Deutschland lieb hat, der sollte nicht herumspielen mit kriegerischem Feuerwerk in der Nähe der Lunte, die zum Pulverfass hinführt. Ich liebe es, daß die Jugend Sport betreibt, aber ich verabscheue den Ungedanken, daß Sport die Vorübung für den Krieg sein soll. Und außerdem: Mit Sport, Parademarsch, Geländeübung, Ledergrurt und Brotbeutel, und sogar mit hundert Millionen löwigsten Löwen werden wir niemals die Kolonien wiederkriegen […] Zu den Kolonien geht ein ganz gerade, einfacher, anständiger Weg: der Weg über den Völkerbund, beschritten mit Offenheit und Würde und mit der Bewußtheit ehrlichen Wollens. Die Löwenzeiten sind vorbei, und die Bildhauer hätten andere Symbole meißeln sollen, die zeitgemäßer sind.

(“Herzchen Goldig”: Das Kolonialdenkmal. In: Beilage zum Volksfreund, 16.06.1925)

Hier zeigt sich eine aus heutiger Sicht vielleicht unerwartete Kritik. Die Person, die hier unter dem Pseudonym Herzchen Goldig im Braunschweiger Volksfreund, der von Wilhelm Bracke gegründeten sozialdemokratischen Zeitung schreibt, kritisiert zwar einerseits die Inszenierung der Aufstellung. Andererseits stört sie sich nicht an der Frage, ob man die verlorenen Kolonien zurückerhalten sollte, sondern nur, wie man dieses Ziel erreichen könne.

Die Veranstaltung zur Einweihung des Kolonialdenkmals zeigt, dass Kolonialerinnerung hier nicht von staatlichen Akteuren, sondern maßgeblich von Vereinen und Verbänden vorangetrieben und unterhalten wurde. Sie schafften es, in der jungen Demokratie verschiedene Bevölkerungsschichten, von Arbeitern über Bürger bis zum Adel in einer empfundenen Demütigung nach der Niederlage des Ersten Weltkriegs zu vereinen.

Das Kolonialdenkmal wird in dieser Phase dem Gedenken der ehemaligen Kolonien und der gefallenen Soldaten gewidmet und dafür genutzt. Zusätzlich wird es als Ort inszeniert, an dem eine Rückerlangung der verlorenen Kolonien propagiert wird. Das ändert sich in der nächsten Phase: dem Nationalsozialismus.

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